Fest der Kulturen hat mit dem Wechsel des Austragungsortes neue Impulse erhalten
BAD BELZIG -Hinter der ersten Brücke rechts liegt die Antarktis. Statt der Pinguine schnattern ein paar Enten. Im weißen Zelt, das heute das Iglu ersetzt, liegen verwaiste Kuschelkissen. Ilja hat gerade die Märchenstunde verpasst. Zeit für die Quizfrage. Woher kommt der Begriff „Arktis“? Mithilfe seiner Mutter Ruth Koschel, mit der Ilja durch das internationale Straßenfest zieht, hat er das Geheimnis gelüftet: von Artos, dem Bären, dem mächtigsten Nordpolbewohner.
Insgesamt sieben dieser Stationen galt es am Sonnabendnachmittag beim Internationalen Straßenfest in Bad Belzig zu besuchen. Jede zu erreichen über eine Brücke.
Die beiden zieht es weiter nach Nordamerika. Vom Hof der Oberschule wehen flotte Rhythmen herüber. „Wann eröffnete das erste Mc Donald’s-Restaurant?“, liest Ruth Koschel die zweite Quizfrage vor. „Ilja, weißt du, was Mc Donald’s ist?“ Der schüttelt den Kopf. „Dann ist ja alles gut.“ Die Linedance-Gruppe der Oberschule zieht gerade Beifall und Blicke auf sich, so dass wir die Lösung, die buchstäblich auf der Straße liegt, glatt übersehen. 72 Jahre, kann man auf dem Pflaster lesen, rollt der Klops schon um die Welt. Den Fünfjährigen zieht es zum Tipi von Burkhardt Pietack. Klar, dass der Indianer von Niemegk bei dem Fest nicht fehlen darf. Der Junge hat ihn mit der Kindergartengruppe schon in dessen Jagdgründen besucht.
Über den Marktplatz von Europa, wo die Sozialen Dienste an Informationsständen ihre Arbeit vorstellen, bummelt es sich gemütlich nach Down under. Achtung Kängurus, warnt das Straßenschild. In der Grundschule, die heute Australien ist, geht Iljas Schwester Hannah in die 3. Klasse. Im liebevoll ausstaffierten Foyer kann man den Handwerkstechniken der Ureinwohner nachgehen. Oder bei Hannah einen Regenmacher kaufen. Diese macht aus der Herstellung kein Geheimnis. „Zuerst werden kreuz und quer Nägel reingeschlagen, dann füllt man Reiskörner ein, macht wieder zu und beklebt und bemalt die Rolle, dass es schön aussieht.“ Das tut es, und weil das Geschäft gut läuft, will Hannah auch gar nicht mit Bruder und Mama weiterziehen. Auf dem Schulhof gibt es Bratwurst für Ilja und seit dem Vormittag ein Streetsoccer-Turnier, bis zum Stimmversagen abwechselnd moderiert von Burkhard Kroll und Paul Ernst. Nicht nur deshalb ist der Hof der Grundschule bestens bevölkert, draußen haben die Eltern zudem ein großes Büfett aufgefahren.
Aus der Station des Roten Kreuzes – heute Südamerika – sieht Ilja, dessen Familie selbst im Weitzgrunder Weg wohnt, oft die Autos herausfahren. Auf der Landkarte zeigt Ruth Koschel ihrem Sohn Brasilien, wo sie zwei Jahre verbrachte und das erprobte, was sie heute hauptberuflich tut: Deutsch als Fremdsprache unterrichten. Direkt nebenan im Asylbewerberheim, über dessen Brücke man nach Afrika gelangt. Hier muss man wissen, dass die Sahara die größte Wüste des Kontinents ist und kann Wildgulasch-Suppe und Makala kosten.
Zu afrikanischen Rhythmen wagt hier auch die Bürgermeisterin ein Tänzchen. Der Weitzgrunder Weg hat sich inzwischen mit vielen Bad Belzigern gefüllt, und Hannelore Klabunde ist begeistert. „Es ist richtig gute Stimmung, spannend und vielseitig, ich habe mich noch keine Sekunde gelangweilt“, erzählt sie und strebt samt Stempelkarte für das Quiz in Richtung Asien. Auch Koordinator Lutz Kuligk strahlt. „Es ist gelungen, alle Mitmacher haben ihr Versprechen gehalten und sind mit viel Engagement dabei.“
Dann endlich geht’s nach Asien, wohin es Ilja die ganze Zeit wie einen Fisch im Wasser zog. Die Mitarbeiter seines Waldkindergartens sind in Saris und Kimonos gewandet, verteilen Glückskekse. Ilja stürzt sich auf Hüpfball und Riesenhüpfburg. Sein Vater Timo Brenner und seine kleine Schwester Esther (fast drei) sind inzwischen auch dazu gestoßen, gemeinsam verfolgen sie die Darbietungen der örtlichen Systema-Kampfsportgruppe.
Die ganze Welt in einer Straße – das Experiment hat Laune gemacht. „Das Fest der Kulturen von der Burg Eisenhardt in die Straße zu holen, ist eine sehr gute Idee“, resümiert Ruth Koschel, die es beeindruckend findet, wie viele Beteiligte hier mitgestaltet haben. Der Zuspruch war ebenfalls größer als zuletzt auf dem Wahrzeichen der Kur- und Kreisstadt. Doch so mancher Aktive, ist unterwegs oft zu hören, hätte auch gern die Atmosphäre anderswo geschnuppert, statt nur auf dem eigenen Gelände zu sein.
Esther fixiert indes die Gitarre von Hagara Feinbier, die zum Mitsingen von Liedern aus aller Welt einlädt. Ruth Koschel lässt sich von der Tochter mitziehen. Schöner kann man das Fest kaum abrunden. (Von Kerstin Henseke)
– Maerkische Allgemeine 05.06.2012